Ein Bündnis basiert auf einem gemeinsamen Ziel, vielleicht sogar auf mehreren Zielen. Es kann sein, dass sich zwei Verbündete nicht einmal mögen, aber das hat keinen Einfluss auf ihr Engagement für das gemeinsame Ziel.
Was passiert, wenn zwei Verbündete ein gemeinsames Ziel und viele gegensätzliche Ziele haben?
Das ist in der Bündnistheorie erlaubt und in der Geschichte auch zu beobachten. Zum Beispiel sind Buchverlage Gegner, wenn es um die Kontrolle von Marktanteilen geht, aber sie sind Verbündete, wenn es darum geht, das Urheberrecht zu untergraben. Die Tatsache, dass sie beim Verkauf von Büchern Konkurrenten sind, schwächt ihre Zuverlässigkeit im Kampf gegen das Auslaufen des Urheberrechts in keiner Weise.
Ein noch dramatischeres Beispiel sind afroamerikanische Politiker:innen, die Mitglieder der Republikanischen Partei sind und die Verbündete anderer republikanischer Politiker:innen sind. Sie mögen das Ziel der Gesetzgebung teilen, allen Menschen Einschränkungen aufzuerlegen, die von ihrer gemeinsamen Religion diktiert werden, aber diese schwarzen Politiker:innen können sicherlich nicht das Ziel des weißen Nationalismus teilen. Trotzdem untergräbt jeder Sieg der Republikanischen Partei die Bürgerrechte aller schwarzen Amerikaner:innen. Die Erklärung dafür? Diese schwarzen Politiker:innen müssen ihre Religion über ihre Staatsbürgerschaft gestellt haben.
Was ist mit Nazis?
Betrachten wir nun das noch dornigere Problem der Nazis in der Umweltbewegung. Ist es akzeptabel, die Normalisierung des Nationalsozialismus im Namen des Umweltschutzes zu riskieren?
Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass die Normalisierung in zwei Richtungen funktioniert, nicht nur in eine, und dass eine Richtung tatsächlich ein Ziel ist. Die Mehrheitsgesellschaft wünscht sich schon lange, dass Nazis ihre Zeit anderweitig nutzen, als damit, Hass zu verbreiten. Warum sollte der Umweltschutz nicht eine würdige Alternative sein?
Es besteht natürlich die Gefahr, dass der Einfluss in die andere Richtung geht: Wenn Nazis als Verfechter:innen vernünftiger Anliegen wahrgenommen werden, haben sie vielleicht auch andere vernünftige Dinge zu sagen. Das ist allerdings schon passiert. Nazis haben Pädophilie sehr scharf verurteilt und einen stärkeren Schutz für Kinder gefordert. Das hat sich nicht stark auf ihre Akzeptanz ausgewirkt. Tatsächlich kommt das meiste Eindringen von rechtsnationalem Gedankengut von Parteien und Einzelpersonen, die darauf achten, sich nicht als Nazis darzustellen, wie Mitglieder der amerikanischen Republikanischen Partei und der deutschen Alternative für Deutschland. Mit anderen Worten: Das Schlimmste ist bereits geschehen; es ist lediglich eine zivilisatorische Prüfung, mit solchen Einflüssen umzugehen, unabhängig davon, ob irgendwelche Uniformen getragen werden.
Religion ist ein weiteres Beispiel für eine Bedrohung, die bereits eingetreten ist. Es gibt Religionen, die Folter und Hinrichtung gefördert und praktiziert haben. Mindestens eine moderne Religion hält einen Text für heilig, der die Sklaverei erlaubt und hilfreiche Tipps zum Sklavenbesitz gibt. Dieselbe Religion hat eine schockierende Geschichte von Pädophilie und sexuellem Missbrauch und tut alles, um die Täter:innen zu schützen.
Liegt es im Interesse der Gesellschaft, solche Gruppen auszugrenzen? Wenn ja, dann ist das eine Entscheidung, die noch nicht getroffen wurde. Und doch ist keine westliche Gesellschaft auf dem Weg, die Sklaverei wieder einzuführen oder Pädophilie zu legalisieren. Der Grund dafür? Die Zivilisation hat diese Praktiken entschieden geächtet, und es ist nun unmöglich, diese Ideen zu propagieren, ohne als absurd oder kriminell zu gelten.
Jedes Beispiel von Nazi-Extremismus unterliegt der gleichen Zensur, wenn die Gesellschaft nur darauf besteht. Die Zivilisation kann und hat sich mit Extremismus auseinandergesetzt. Es ist in der Tat eine der Aufgaben der Zivilisation, den Markt der Ideen auf das zu beschränken, woran alle konsequent teilnehmen können.
