Es wird viel Kritik am Kapitalismus und am Patriarchat geübt, aber wenig über die Alternativen diskutiert. Die Demokratie ist keine Alternative, weil wir sie bereits haben. Mit Ausnahme einiger weniger Vorschriften werden fast alle Entscheidungen von Kapitalist:innen getroffen. Denk mal drüber nach! Die Gebäude, die gebaut werden, die Nachrichten, die Filme, die gedreht werden, die Flughäfen, die bedient werden, die Kleidung, die verkauft wird, der größte Teil des modernen Lebens – all das wird nicht-demokratisch entschieden. Es gibt einen Grund, warum Kapitalist:innen sich nicht demokratisch organisieren, und der Grund ist, dass sie darauf bestehen, effektiv zu sein.
Kapitalist:innen nutzen Bündnisse. Diese Bündnisse haben bestimmte Ziele, wie die Verabschiedung oder Vereitelung bestimmter Gesetze. Ein:e Verbündete:r in einem Bereich kann ein:e Gegner:in einem anderen sein, wie z.B. Verleger:innen, die in Konkurrenz zueinander stehen, wenn es um den Verkauf von Büchern geht, aber Verbündete sind, wenn es darum geht, das Urheberrecht über seine ursprünglichen Grenzen hinaus auszuweiten.
Zweifellos funktioniert das, also gibt es keinen Grund, dagegen zu argumentieren. Dagegen zu argumentieren bedeutet, sich zu fügen. Wer sich weigert, effektiv zu sein, wird von denen beherrscht, die effektiv sind.
Allianzen sind in der Tat nichts Neues für Volksbewegungen. Gewerkschaften sind das bekannteste Beispiel. Es gibt noch viele weitere Möglichkeiten, sie zu nutzen (kooperative Kindertagesstätten, Hausprojekte, Food-Co-ops), aber uns fehlen die Reflexe, das Vokabular und die Intuition dafür. Sie gehören nicht zu unseren bevorzugten Lösungen.
Gemeinsame Ziele
Zunächst einmal ist zu beachten, dass ein Bündnis auf gemeinsamen Zielen beruht. Allianzen sind daher unbeständig und sollten als solche akzeptiert werden. Wenn sich ein Ziel ändert oder verschwindet, gilt das auch für das Bündnis.
Ein Bündnis ist nicht unbedingt eine Partnerschaft. In einer Partnerschaft verpflichten wir uns in allen Angelegenheiten, die die Partnerschaft betreffen, Verbündete zu sein. Verbündete dagegen arbeiten an bestimmten Zielen oder Projekten, solange es ihnen passt.
Ein Bündnis basiert nicht auf einer gemeinsamen Philosophie. Die USA hatten während des Zweiten Weltkriegs ein Bündnis mit der UdSSR, um Deutschland zu besiegen, obwohl die beiden Länder philosophisch ziemlich weit auseinander lagen. Unmittelbar nach dem Ende des Krieges in Europa wurden die UdSSR und die USA zu Feinden. Das zeigt, dass es bei ihrer Allianz nur darum ging, einen gemeinsamen Feind zu besiegen, und um nichts anderes.
Wie man Verbündete auswählt
Es ist möglich, untätige Menschen als Helfer:innen zu rekrutieren, aber solange sie sich nicht in der Praxis bewähren, gibt es kein echtes Bündnis. Das ist etwas anderes, sei es Lehnstreue, eine Ausbildung oder eine Partnerschaft. Wer kann ein:e echte:r Verbündete:r sein? Wiederum nicht unbedingt jemand mit ähnlichen Ansichten oder einer ähnlicher Philosophie. Sondern eine Person, die bereits aktiv an eurem gemeinsamen Ziel arbeitet und ein Bündnis nur sucht, um die Effektivität zu erhöhen. Und warum? Es gibt viele Gründe, warum eine Person zwar Interesse an einem gemeinsamen Ziel bekundet, aber aus Faulheit, Spinnerei oder Desorganisation untätig bleibt. Ein:e richtige:r Verbündete:r bemüht sich, als Verbündete:r attraktiv zu sein, indem er:sie etwas tut. Verbündete sind also gleichrangig, zumindest was das Ziel angeht.
Transparenz
Hierarchien können es sich leicht leisten, trickreich zu sein. Generäl:innen müssen Geheimhaltung und Täuschung anwenden, wenn sie einen Feind bekämpfen, und das Gleiche gilt für Unternehmen. Sie müssen sie jedoch nicht einsetzen, um ihre Untergebenen zu koordinieren, denn in einer Hierarchie gibt es bereits Kontroll- und Durchsetzungsmechanismen.
Allianzen müssen ebenfalls trickreich sein, wenn es um den Umgang mit externen Gegner:innen geht. Eine Umweltgruppe könnte zum Beispiel heimlich handeln, um an sensible Dokumente zu gelangen oder eine Blockadeaktion zu starten. Hier gibt es jedoch keine Einschränkungen innerhalb einer Organisation. Verbündete sind nicht unbedingt entgegenkommend zueinander. Akteur:innen können in mehreren Allianzen arbeiten. Ein:e Verbündete:r könnte seine:ihre Prioritäten ändern, ohne dich zu informieren. Wenn dein:e Verbündete:r zum Beispiel mit einer Krise in einem anderen Bündnis konfrontiert ist, informiert er:sie dich vielleicht nicht über das Ausmaß der Krise, aus Angst, dich als Verbündete:n zu vergraulen. Mit anderen Worten: Er:sie könnte versuchen, dich für späterwarm zu halten. Du musst dir immer Gedanken darüber machen, ob das mit dir passiert. So entwickeln sich Bündnisse oder lösen sich auf.
Ein:e Verbündete:r könnte darüber nachdenken, das Lager zu wechseln. Ein Beispiel dafür sind die Allianzen und der Verrat unter mittelalterlichen Herzögen und Baronen. Während dies unter Aktivist:innengruppen äußerst ungewöhnlich ist, ist es zwischen Einzelpersonen eher möglich.
Einerseits gibt es keine Möglichkeit zu wissen, wem man vertrauen kann: Es ist nicht möglich. Während eine Hierarchie ein höheres Maß an Sicherheit bietet, kann man sich in einer Allianz nie zu 100% sicher sein. Andererseits ist das Problem hinfällig, wenn du dir die Definition eines:r Verbündeten vor Augen hältst: eine Person, die bereits an deinem gemeinsamen Ziel arbeitet.
Es gibt keinen Ausweg aus diesem Dilemma: Sobald du die Ungewissheit der Loyalität überwunden hast, befindest du dich in einer Hierarchie.
Der Nachteil einer Hierarchie ist, dass du keinen Einfluss darauf hast, wie die Ziele und Methoden gewählt werden, es sei denn, du bist der:die Anführer:in. Ansonsten nimmst du einfach Befehle entgegen. In einer Allianz musst du die Leute und die Methoden, mit denen sie ihre Ziele verfolgen, im Auge behalten – das ist der Nachteil, aber der Vorteil ist, dass du nicht herumkommandiert wirst und nicht dafür verantwortlich bist, Befehle zu geben. Du und deine Verbündeten wählen jeweils ihre eigenen Ziele und Methoden.
Definiere deine Ziele
Bündnisse sind nicht seltsam. Das Leben ist nur dann seltsam, wenn die Menschen nicht in Bündnissen stecken. Wenn sie keine klaren Ziele haben, neigen sie dazu, sich an Institutionen zu orientieren, die sich selbst rechtfertigen, wie Religion, Demokratie oder Marktlogik. Stattdessen müssen wir uns auf die Effekte konzentrieren. Wir müssen uns auf die Realität konzentrieren. Der Kerngedanke ist, Prioritäten und Ziele zu haben und alles zu verwerfen, was ihnen im Weg steht.
Wenn die Menschen deine Ziele und Methoden erkennen können, sind Moral, Prinzipien und Rechtschaffenheit überflüssig. Letztere werden oft als Deckmantel für Unfug benutzt, wie z.B. „wir schätzen deine Privatsphäre“.
Transparenz ist leichter zu bewerten. Bündnisse sind besser als die Mitgliedschaft in einer sich selbst rechtfertigenden Institution.