Viele Volksbewegungen werden durch interne Streitigkeiten geschwächt. Eines der berühmtesten Beispiele ist die Auflösung der American Equal Rights Association im Jahr 1869, weil sich ihre Mitglieder nicht einig waren, ob Frauen oder Schwarze zuerst das Wahlrecht erhalten sollten, wenn sich die Gelegenheit dazu bot. Einige Mitglieder der Equal Rights Association waren zutiefst rassistisch.
Es ist mindestens ein Fall bekannt, in dem der amerikanische Inlandsgeheimdienst interne Kämpfe schürte, um soziale Bewegungen zu behindern oder zu schwächen. Da interne Kämpfe fast immer mit ideologischer Reinheit begründet werden, ist dies ein Beweis dafür, dass Recht zu haben falsch ist. Es ist nicht mit dem Erreichen der erklärten Ziele vereinbar. Die Mitglieder einer Organisation können ideologisch motiviert sein, die Institution selbst darf es nicht sein.
Ähnlichkeitsmanagement
Der meiste Streit findet zwischen Personen und Institutionen statt, die sich am ähnlichsten sind. Beim Ähnlichkeitsmanagement geht es darum, festzustellen, wann dieser Streit nützlich ist und wann er einfach nur zum Scheitern verurteilt ist. Die beiden operativen Prinzipien sind Ziele und Bündnisse.
Ziele
Eine Bewegung muss ein klar artikuliertes Ziel und eine eindeutige Definition von Erfolg haben. Wenn die Mitglieder in Bezug auf die Ideologie uneins sind, aber die Ziele der Organisation teilen, können sie dennoch zusammenarbeiten. Dies ermöglicht ein größeres Dach.
Ein Beispiel für ein gescheitertes Bündnis stammt aus der britischen Frauenwahlrechtsbewegung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Frauen im ganzen Land für eine neue und wesentlich militantere Phase des Kampfes mobilisiert. Vor allem im armen Londoner East End wurden Büros der Women’s Social and Political Union eröffnet. Als die Suffragette Sylvia Pankhurst ihren Aktivismus jedoch auf die wirtschaftliche Notlage der dort lebenden Frauen ausweitete, wurde sie von der Führung der WSPU ausgeschlossen. Die Führung (Sylvias eigene Mutter und Schwester) hatte offensichtlich Klassenloyalitäten, die über die Rechte der Frauen hinausgingen. Die britische Regierung konnte dann die Führung der Bewegung ausschalten, indem sie nur ihnen und Frauen wie ihnen das Wahlrecht zugestand. Das erste Gesetz, das den Frauen das Wahlrecht zugestand, schloss arme Frauen und Frauen unter dreißig Jahren aus. Letztere Regelung ist besonders bedenklich, da arme Frauen im Vergleich zu gebildeten Frauen aus der Mittelschicht eine geringere Lebenserwartung hatten. Die Spaltung aufgrund der Klassenzugehörigkeit war ein episches Versagen beim Management von Ähnlichkeiten.
Der hier vorgestellte Gedanke ist, dass eine Bewegung nur dann ihre erklärten Ziele erreichen kann, wenn sie bereit ist, davon unabhängige Unterschiede zu ignorieren. Wenn einige Frauen zu arm oder zu sozialistisch sind, dann lasst sie ihre eigenen Organisationen haben, aber dann lasst alle Wahlrechtsorganisationen an ihrem gemeinsamen Projekt arbeiten.
Bündnisse
Ein:e Verbündete:r ist eine Person oder eine Organisation, die mit einer anderen Person oder Organisation gemeinsame Ziele verfolgt. Ein:e Verbündete:r kann sich in allen Punkten unterscheiden, die mit den Zielen nicht zusammenhängen. Diese Unterschiede müssen toleriert werden. Ein:e Verbündete:r kann sogar unterschiedliche Gründe für ein gemeinsames Ziel haben. Ein:e Mitarbeiter:in eines humanitären Hilfswerks und ein:e christliche:r Missionar:in arbeiten vielleicht beide an der Linderung der Armut. Wenn sie sich über religiöse Indoktrination streiten, bedeutet das, dass es nicht nur um Armut geht, sondern dass sie verdeckte und gegensätzliche Ziele haben. Das bedeutet, dass sie nicht Mitglieder derselben Organisation sein können, aber ihre beiden unabhängigen Organisationen können auf einer niedrigen Ebene zusammenarbeiten, z. B. beim Graben von mindestens einem Brunnen, vielleicht sogar mehr.
Erfolgreiche Beispiele
Regenbogen-Koalition
Eine der unwahrscheinlichsten Bündnisse der Geschichte fand im rassisch gespaltenen Chicago der 1960er Jahre statt. Die „Rainbow Coalition“ bestand aus bewaffneten schwarzen Aktivist:innen, einer ehemaligen hispanischen Straßengang und einer Gruppe weißer Südstaatler:innen, die die Flagge der Konföderierten schwenkten. Einig waren sie sich nur in ihrem Kampf gegen wirtschaftliche Diskriminierung.
1968
Eine Reihe von Studi-Protesten gegen den Kapitalismus wurde unerwartet durch gewerkschaftliche Sympathiestreiks unterstützt. Dies war der größte Generalstreik in der Geschichte Frankreichs. Dieses Bündnis war zwar nur von kurzer Dauer, aber das ist nicht das Entscheidende. Entscheidend ist, dass ein kurzlebiges, aber breites Bündnis eine Weichenstellung in der französischen politischen Landschaft bewirkte, auf die bis heute Bezug genommen wird.
„Cowboy-Indian-Alliance“
Im Jahr 2013 schlossen sich nicht-einheimische, Viehzüchter:innen mit amerikanischen Ureinwohner:innen zusammen, um Land zu verteidigen, das in der Vergangenheit die Quelle von Streitigkeiten zwischen den beiden Seiten gewesen war. Die gemeinsame Bedrohung, der sie sich gegenübersahen, war die Keystone XL-Pipeline, ein Projekt, mit dem eine noch nie dagewesene Menge Öl von Kanada zu Raffinerien im Mittleren Westen transportiert werden sollte. Die gemeinsamen Bemühungen zielten darauf ab, die Bundesregierung davon zu überzeugen, das Projekt abzulehnen. Im Jahr 2021 wurde die Bundesgenehmigung für das Projekt widerrufen und das Energieunternehmen gab seine Pläne auf.
Zusammenfassung
Hier noch einmal der Kerngedanke: Eine soziale Bewegungsorganisation sollte sich über ihre Ziele definieren, nicht über ihre Ideologie. Der Grund dafür ist, dass es möglich ist zu erkennen, wann konkrete Ziele erreicht wurden, aber es ist viel schwieriger zu bestimmen, wann eine ideologische Hegemonie erreicht wurde. Die Mitglieder einer Organisation können aus einer Vielzahl von Gründen beitreten. Solange sie sich über die Ziele der Organisation einig sind, können sie zusammenarbeiten. Sie genießen die Stärke der Zahl und können leichter erkennen, wenn die Führung aus dem Ruder gelaufen ist.