Alternative zum moralischen Kompass

Wenn moralische Überlegenheit keine geeignete Grundlage für Aktivismus ist, was dann? Wie wählen wir Kampagnen aus, wenn nicht auf der Grundlage von richtig und falsch?

Die Antwort lautet: Ziele. Das Ergebnis muss beschrieben werden, und Hilfe wird auf der Grundlage der Attraktivität dieses Ziels rekrutiert. Die Abolitionsbewegung des 19. Jahrhunderts prangerte zum Beispiel die Sklaverei als Unrecht an, und als die Sklaverei verboten wurde, war der Kampf vorbei.

Oder doch nicht? Die ehemaligen Sklav:innen und ihre Nachkommen waren der systematischen Armut, willkürlichen Hinrichtungen und Inhaftierungen sowie dem Terror weißer Nationalisten ausgesetzt. Mit anderen Worten: Ihr Leidensdruck wurde etwas gemildert. Das „Richtige“ wurde erreicht, aber es war schrecklich.

Stellen wir uns vor, es wäre ein Endzustand statt des geforderten Endes der Sklaverei festgelegt worden. Stell wir uns vor, der Vorschlag wäre gewesen, Baumwollspinnereien in der Nähe der Farmen zu bauen, auf denen die Baumwolle angebaut wurde, und den ehemaligen Sklave:innen Arbeit zu geben. Die Industrie hätte doppelt profitiert: geringere Transportkosten und niedrige Lohnkosten. Die Plantagenbesitzer:innen, die nicht mehr in der Lage waren, ihre Plantagen zu bewirtschaften, hätten ihre Grundstücke verkaufen müssen, um Geld für den Bau von Fabriken zu bekommen. Der Wettbewerb um kleine Farmen hätte einen Anstieg der Grundstückswerte zur Folge gehabt, wodurch sich die Steuerbasis der Kleinstädte erhöht hätte. Die lohnabhängigen ehemaligen Sklav:innen hätten Bedarf an Krediten gehabt und hätten so das Bankwesen gestärkt. Achtung, diese Situation ist mit den schlimmsten Impulsen des Kapitalismus vereinbar und verringert somit die potenzielle politische Opposition. Leider ist sie auch mit dem historischen Ergebnis vereinbar, auch wenn dieses erst ein Jahrhundert später eintrat.

Es wäre möglich gewesen, ein bestimmtes Ergebnis zu beschreiben, das nur mit der Abschaffung der Sklaverei möglich war, und dann wäre das Ziel diese Situation und nicht nur das Ende der Sklaverei gewesen.

Auf diese Weise können Aktivist:innen die Fallstricke des moralischen Imperativs vermeiden und gleichzeitig verhindern, dass es vor Ort zu einem „Affenpfoten„-Ergebnis kommt.