Die Antwort heisst Zivilisation

Ein Nachbar beschwerte sich bei mir über Leute, die ihren Müll in einem nahe gelegenen Park zurücklassen: „Die Leute kommen hierher, um die Natur zu genießen, und dann lassen sie ihren Müll und sogar volle Windeln im Wald liegen! Ich würde mich gerne mal mit diesen Leuten unterhalten!“

Ich sagte: „Das ist zwar schlechtes Benehmen, aber es ist ein kulturell bedingtes Verhalten.“

„Dieses Verhalten ist in keiner Weise akzeptabel!“

„Ich habe nicht gesagt, dass es akzeptabel ist. Ich habe gesagt, dass es kulturell bedingt ist. Sieh mal, es gibt keine Mülleimer. Es gibt nicht einmal eine städtische Müllabfuhr in dieser Stadt. Die Bürger:innen müssen ihren stinkenden Müll selbst zur Deponie schleppen. Er stinkt, weil es keinen getrennten Biomüll gibt. Diese Stadt hat Anreize geschaffen, damit die Leute ihren Müll im Wald lassen. Danach ist es eine Frage der Statistik. Es war unvermeidlich, dass es früher oder später passieren würde.“

„Was soll denn die Stadt tun?“

„In einer Schweizer Stadt gibt es eine städtische Müllabfuhr. Außerdem stehen alle paar hundert Meter Mülleimer auf den Bürgersteigen. Die Leute haben es nicht schwer, das Richtige zu tun, und deshalb wird das Richtige auch häufiger getan.“

„Was können wir gegen Stadtbeamt:innen tun, die Entscheidungen ohne unsere Mitwirkung treffen?“

„Was wäre, wenn die Stadtbeamt:innen Bordellen auf der Hauptstraße Steuererleichterungen gewähren würden? Wäre es dann ein Wunder, wenn die Hauptstraße zu einem Rotlichtviertel würde? Das wird wohl nie passieren, weil die Bürger:innen auf eine solche Entscheidung reagieren würden. Wenn du sagst, dass die Stadtbeamt:innen Entscheidungen ohne deine Mitwirkung treffen, hast du vollkommen recht.“

„Das sind schwierige Fragen. Es gibt keine einfache Antwort.“

„Die Schweizer:innen haben eine Antwort gefunden: Sie heißt Zivilisation. Es ist das System von Anreizen und Abschreckungen, das das Verhalten der Bürger:innen lenkt. Wenn sich Menschen über schlechtes Benehmen beschweren, dann nur, weil sie es selbst mehr genießen.“

Und so endete unser Gespräch und unsere Beziehung.

Anthony war lange Zeit ehrenamtlich bei Organisationen wie Amnesty International und Union for Concerned Scientists tätig. Diese Erfahrungen führten zur Gründung des Projekthauses Schwarz10, das die Infrastruktur für Aktivist:innenprojekte wie Rockzipfel und Extinction Rebellion bereitstellte. Außerdem bot es zahlreichen externen Projekten gelegentlich Raum für Treffen. Die verschiedenen Informationsbroschüren, die in dieser Zeit entstanden sind, bilden die Grundlage für den Lehrplan der Activersity.

Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu hinterlassen.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.